Teile der Sammlungsbestände in den Basler Museen stammen aus kolonialen Kontexten oder können womöglich mit dem Handel mit NS-Raubkunst in Zusammenhang gebracht werden. Um dies auszuschliessen und offene Fragen zur Herkunftsgeschichte von Sammlungsbeständen zu klären, sind die staatlichen Museen seit Jahren daran, entsprechende Recherchearbeit zu leisten und Wissenslücken zu schliessen. Diese äusserst zeitintensive Aufarbeitung wird vom Kanton Basel-Stadt mit einer Rahmenausgabenbewilligung von einer Million Franken pro Jahr für die Periode 2023 bis 2026, vom Bundesamt für Kultur sowie mehreren Stiftungen unterstützt. Mit diesen Mitteln werden Sammlungsgeschichten durchleuchtet, die von den einzelnen Museen als besonders relevant angesehen werden.
An der halbtägigen Veranstaltung «Die ganze Geschichte. Provenienzforschung in den Basler Museen» gaben die Museen Einblick über den aktuellen Stand der Provenienzforschung in ihren Häusern und berichteten über Beispiele, die sie zurzeit besonders intensiv beschäftigen oder die sie vor bislang unbekannte Herausforderungen stellen.
Archäologische Provenienzforschung
Das Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig hat sich in den letzten Jahren intensiv mit seiner Sammlungsgeschichte und der Herkunft seiner Objekte auseinandergesetzt. Die Ergebnisse der ersten abgeschlossenen Forschungsprojekte werden derzeit von den zuständigen Behörden ausgewertet und im Laufe des Jahres der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Provenienzforschung im Bereich der Antike ist weitgehend Neuland. Im Rahmen der Veranstaltung erhielt das Publikum Einblicke in die Besonderheiten der archäologischen Provenienzforschung, ihre Methoden und Herausforderungen.
Einheitliche Dokumentation als Basis
In der heterogenen, 300'000 Objekte umfassenden Sammlung des Historischen Museums befinden sich unter anderem Musikinstrumente, Uhren, Mobiliar, Keramik, Goldschmiedekunst und Textilien. Um die Herkunftsgeschichte dieser Objekte nachhaltig zu erforschen, braucht es eine einheitliche Dokumentation sowie die Entwicklung von Standards. Diesem Ziel widmet sich das Projekt des Historischen Museums Basel. Konkret wurde die Herkunft eines 1950 erworbenen mittelalterlichen Minnekästchens als Fallbeispiel besprochen und daran gezeigt, wie seine Provenienz zwischen 1933 und 1950 rekonstruiert wird.
Die Bedeutung der Dinge
In der Sammlung des Museums der Kulturen befinden sich über 3’500 Dinge aus Kamerun. Ein Grossteil gelangte über das Missionarswesen nach Basel, das während der deutschen Kolonialherrschaft in Kamerun bis zum Ersten Weltkrieg aktiv war. Neben dem Ergründen der kolonialen Verstrickungen von Sammlungen ist für die ethnologische Provenienzforschung die Frage nach der Bedeutung der Dinge für Herkunftsgemeinschaften leitend: Was erfahren wir am Museum aus den historischen Quellen und welchen Zugang haben Repräsentant:innen aus Kamerun zu den Dingen?
Tiefenrecherche hilft bei Verdachtsfällen
Die Provenienzforschung am Kunstmuseum Basel fokussiert auf NS-verfolgungsbedingte Kulturgutverluste. In einer Strategie 2022 wurden die Leitlinien festgelegt. Der Bestand des Museums wird kontinuierlich und systematisch überprüft. Eine Tiefenrecherche hilft in Verdachtsfällen, Klarheit über die Handwechsel zu gewinnen und Lücken in der Geschichte eines Werks möglichst zu schliessen.
Der Vortrag war einem Gemälde von Camille Pissarro gewidmet, das der jüdische Unternehmer Richard Semmel im Jahr 1933 in der Emigration verkaufen musste. 2024 wurden seine Erben dafür vom Kunstmuseum entschädigt. Es handelt sich um eine der ersten «gerechten und fairen Lösungen» der Schweiz für einen «Fluchtgut»-Fall.
Zurückgefordert nach Sri Lanka
Mit menschlichen Überresten, die aus kolonisierten Ländern stammen, beschäftigen sich Forschende im Naturhistorischen Museum. In der anthropologischen Sammlung, die etwa auch von den Vettern Sarasin aufgebaut und 1971 vom Museum der Kulturen ins Naturhistorische Museum überführt wurde, haben die Überreste von rund 1’600 Individuen eine koloniale Provenienz. Mit welchen Herausforderungen die Verantwortlichen konfrontiert sind, wenn Rückforderungen von Herkunftsgesellschaften gestellt werden, zeigte das Beispiel der Veddah, einer indigenen Bevölkerungsgruppe aus Sri Lanka. Diese gelangten zusammen mit dem zuständigen Ministerium von Sri Lanka ans Museum und erbaten die 42 Skelette ihrer Vorfahrinnen und Vorfahren zurück, wohin sie im Juni 2024 überführt wurden.